Jakob Blumenfeld und Frommet Isenberg

Die Gräber meiner Ur-Ur-Ur-Grosseltern Jakob Blumenfeld[i] und Frommet geb. Isenberg[ii] befinden sich auf dem Neustädter Friedhof. Die Fotos der Grabsteine gehören zu den ältesten “Familienfotos”, die existieren.

Hier ruht ein aufrichtiger Mann, Herr Jakob ha-Kohen, Momberg, der verstarb am 6. Schewat [5]609 (= 29.1.1849). Seine Seele sei eingebunden im Bunde des Lebens, bis er auferweckt wird bei der Auferstehung der Toten, Amen.
Hier ruht Fromed, Tochter des Salomon. Sie starb am 2. Sukkot (= 16. Tischri), und wurde begraben am 2. Zwischenfeiertag (= 18. Tischri) [5]640 (= 3.10.1879). Ihre Seele sei eingebunden im Bunde des Lebens.

Über Jakob ist in den verschiedenen Unterlagen mehr als seine Lebensdaten zu erfahren. Belegt ist, dass Jakob als Metzger,[iii] Handelsmann[iv] und Viehhändler[v] tätig war. Am 24. Mai 1833 heiratete er Frommet Isenberg, Tochter des Salomon Isenberg und der Hanne, geborene Stiefel, aus Gilserberg[vi]. Laut Kaufvertrag vom 24. Januar 1839 kauften sie das Haus Nummer 100 (Nummerierung 1818) in Momberg. Dieses Haus wurde zwischen 1850 und 1855 an eine Familie Euler verkauft, die es abbauten und an dieser Stelle ein neues Haus errichtete.[vii] Dass Jakob auf dem Grabstein als «Jakob ha-Kohen» genannt wird, ist auf seine Stammeszugehörigkeit zurückzuführen. Jakob war ein Nachkomme vom ersten hohen Priester Aaron in der Bibel. Man könnte den hebräischen Text mit den Worten «der Priester» übersetzen. Die Stammesbezeichnung «ha-Kohen» bedeutet keineswegs, dass die Person auch ein Rabbiner war.

Als Nachkomme von Jakob bin ich auch ein «ha-Kohen», denn die Zugehörigkeit zum Priesterstamm wird über die männliche Linie vererbt. Diese Tatsache sorgte einmal für Schmunzeln, als ich im Rahmen eines Kirchentags die Synagoge in Erfurt besuchte. Da vermutete der Rabbiner anhand des Namens Bloomfield, dass ich jüdische Vorfahren habe. Ich bestätigte seine Annahme und fügte hinzu: «Auch priesterlicher Abstammung.» Da meinte er: «Das gibt es doch nicht! Ein reformierter Pfarrer nicht nur jüdischer Herkunft, sondern sogar ein Nachkomme Aarons.»

Die Gemeinde Momberg machte in einer Erhebung über die jüdischen Familien und deren Gewerbe am 27. September 1858 folgende Angaben über Frommet Blumenfeld-Isenberg[viii]:

«Jakob Blumenfeld Wwe.: (Frommet, geb. Isenberg); 56 Jahre alt, Metzgerei und Nothandel; treibt jährlich 18 bis 20 Stück Vieh zum Markt; besitzt kein Vermögen.» Aus der Bezeichnung «Nothandel» ist abzuleiten, dass Frommet Blumenfeld ohne eigenes Kapital versuchte, als Kleinkrämerin oder Hausiererin mit allen möglichen Waren zu handeln.[ix] Zum Nothandel gehörte auch Leih- und Trödelhandel.

Bei ihrem Tod war meine 82-jährige Ur-Ur-Ur-Grossmutter Frommet 30 Jahre lang Witwe gewesen und wohnte bei ihrem Sohn Abraham im 1818 erbauten Haus 105 bei der Kirche in Momberg. Das Haus ist im heutigen Zustand auf der folgenden Seite zu sehen.[x] Im Todesregister von Neustadt wird festgehalten, dass Abraham beim Tod der Mutter anwesend war. Festgehalten wird hier auch, dass Frommet ohne die nötige «polizeiliche Genehmigung» beerdigt wurde. Diese erteilte das königliche Landratamt am 28. September 1880 nachträglich.[xi] Die hebräische Inschrift auf dem Grabstein datiert ihren Tod genau ein Jahr zu früh nach jüdischer Zeitrechnung. Es müsste heissen: 16. Tischri [5]641 = 21. September 1880.

Jakob und Frommet Blumenfelds Haus in Momberg heute. Foto: Kunibert Schmitt, sel., Momberg.

[i] Blumenfeld, Jakob (1849) – Neustadt (bei Marburg), in: Jüdische Grabstätten, http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/juf/id/5291 [8.4.2015].

[ii] Blumenfeld, Frommet geborene Isenberg (1880) – Neustadt (bei Marburg), in: Jüdische Grabstätten, http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/juf/id/5339, [5.6.2012].

[iii] Trauregister der Juden von Neustadt 1828–1874, in: Hessisches Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden (HHStAW), Abt. 365 Nr. 629.

[iv] Sterberegister der Juden von Neustadt 1824–1875, in: HHStAW Abt. 365 Nr. 630.

[v] Geburtsregister der Juden von Momberg 1824–1874, in: HHStAW Abt. 365 Nr. 628.

[vi] Schneider, Die jüdischen Familien, S. 132.

[vii] Kunibert Schmitt an Richard J. Bloomfield (E-Mail), 28. August 2017.

[viii] Schneider, Die jüdischen Familien, Seite 308.

[ix] Rückert, Tanja, Produktivierungsbemühungen im Rahmen der jüdischen Emanzipationsbewegung (1780-1871): Preussen, Frankfurt am Main und Hamburg in Vergleich, Münster 2005, S. 45.

[x] Kunibert Schmitt an Richard J. Bloomfield (E-Mail), 28. August 2017.

[xi] Standesamt Neustadt (Hessen) Sterbenebenregister 1880, Nr. 52, in: HStAMR Best. 915 Nr. 6547.